Deutsche Einheit: Die grüne Lebensader im ehemaligen Grenzgebiet

2022-04-22 19:48:02 By : Mr. Yuong Lee

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Ein erhaltenes Stück Grenzstreifen mit Originalzaun und Kolonnenweg am Grenzlandmuseum Schifflersgrund. Bild: Stefan Locke

An der innerdeutschen Grenze, wo früher jeder Schritt tödlich enden konnte, erfahren Besucher heute etwas über den Stand der deutschen Einheit. Kann das Erinnern in der Natur Wunden heilen?

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L eben und Tod liegen nur wenige hundert Meter auseinander. Eben noch war da der heitere Blick vom Lindenberg nach Duderstadt. Aus dem Wald heraus trat man auf eine Lichtung, sah die roten Dächer der Kleinstadt in Niedersachsen und den Grüngürtel um das Zentrum. Hier oben stand einst das Forsthaus Lindenberg, vor dem Krieg ein beliebtes Ausflugsziel für Duderstädter. Heute sind mit Mühe noch Fundamente im Wald zu erkennen. Wanderer folgen einem Weg aus perforierten Betonplatten, der direkt über den Berg verläuft. Auch er ist an manchen Stellen mit Gras und Büschen überwachsen, aber geht man ihn weiter bergab und dann wieder hinauf auf eine Anhöhe, die den Blick über das Eichsfeld freigibt, steht rechts am Wegesrand in einer in Bäume und Büsche geschlagenen Schneise ein Kreuz mit dem Namen André Rößler.

Der Junge aus dem Erzgebirge war 19 Jahre alt, als er hier am 5. September 1976 starb. Er verblutete an dieser Stelle am Grenzzaun aus verzinktem Streckmetall, drei Meter hoch montiert an Betonsäulen. Rößler hatte es schon weit geschafft, er hatte die im Inland liegenden Signaldrähte überwunden, war durch das Feld über den Schutzstreifen zum Kolonnenweg gerannt und über den Fahrzeug-Sperrgraben gesprungen. Es war sein erster Ausgang nach sechs Wochen Dienst als Wehrpflichtiger bei den Grenztruppen, und er wollte weg, abhauen aus der DDR, rüber in den Westen, der hier genaugenommen im Norden liegt. Gegen 23.30 Uhr erreichte er den Zaun und löste unmittelbar zwei Selbstschussanlagen aus, mehr als 180 Splitter durchbohrten seinen Körper, zerrissen ihm Herz, Lunge und die Hauptschlagader im rechten Bein.

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Die grüne Lebensader im ehemaligen Grenzgebiet

An der innerdeutschen Grenze, wo früher jeder Schritt tödlich enden konnte, erfahren Besucher heute etwas über den Stand der deutschen Einheit. Kann das Erinnern in der Natur Wunden heilen?

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