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von Wolfgang Schilling, MDR KULTUR-Theaterkritiker
Nach langer Sanierung kann die Felsenbühne in Rathen 2022 wieder bespielt werden. Die Landesbühnen Radebeul haben dafür gleich ein ganzes Festival organisiert, das allen etwas bieten will. Für die Familien stand nun die Premiere des Märchens "Das kalte Herz" an, das mit seinen Waldszenen ideal auf die Felsenbühne passt. Und: mit Tom Pauls in der Rolle des Holländer-Michel. Leider kann die Produktion unseren Kritiker nicht ganz überzeugen.
Als zweite Premiere auf der frisch sanierten Felsenbühne in Rathen zeigen die Landesbühnen Sachsen das Märchenstück "Das kalte Herz". Kritiker Wolfgang Schilling ist allerdings von der Schauspielleistung enttäuscht.
MDR KULTUR - Das Radio Sa 16.07.2022 12:00Uhr 07:06 min
"Das kalte Herz" von Wilhelm Hauff ist ein Klassiker. Nicht nur der Märchenliteratur, sondern seit dem legendären Defa-Streifen aus dem Jahr 1950 auch einer der Filmgeschichte. Wie funktioniert der Schwarzwald aber in der freien Theaternatur, in der sächsischen Schweiz? Die Antwort, die auf der Felsenbühne Rathen gegeben wird lautet: Als Stück für die ganze Familie.
Peter Kube, der Schauspieldirektor an den Landesbühnen Sachsen, hat eine knapp zweistündige Theaterfassung geschrieben. Die wird dem Geist des Originals gerecht. Sie zitiert ein bisschen den Defa-Klassiker, den das ältere Publikum rund um Dresden bestens kennt, wendet sich in Sprache und spielerischem Ansatz aber auch einem jungen Publikum zu.
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Stargast aus Sachsen mit heißem Herzen
Auf dem Besetzungszettel erst an Position Nummer vier, aber hinsichtlich seiner Bühnenwirkung in der Pole-Position, agiert Tom Pauls in der Rolle des Holländer-Michel. Während sich so mancher im Publikum noch fragt, ob der große kleine Mann des sächsischen Humors, der so gerne die legendäre Ilse Bähnert gibt, denn auch einen richtig bösen Dämon spielen kann, legt Tom Pauls los – wie kein zweiter an diesem Abend.
Er und Peter Kube, der auch Regie führte, kennen sich seit Studienzeiten, als Kollegen des legendären Zwingertrios und von so mancher ernsthaften Inszenierung. Tom Pauls hat in der Regie von Peter Kube auch schon den Quasimodo und den Jedermann gespielt – und dabei überzeugt.
Dämonisch eingekleidet und geschminkt stellt er einen Holländer-Michel auf die Bühne, der weniger an Erwin Geschonneck im Defa-Film, sondern eher an Jack Sparrow in den "Piraten der Karibik" erinnert. Aber immer mit dem richtigen Maß: Tom Pauls ist wandlungsfähig, legt seine Figur voller blitzschneller Brüche in Sprache, Geste und Ausdruck an. Und er schafft es, diese feinen Nuancen auch über die anspruchsvollen 20 bis 30 Meter Distanzen zwischen Bühne und Publikum zu senden. Er setzt den Maßstab.
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Schauspiel mit ungleichen Qualitäten
Dem werden so nicht alle auf der Bühne gerecht. Da sind die Profi-Kollegen des Ensembles, die verstärkt werden von vier Studierenden der Theaterakademie Delitzsch, einer privaten sächsischen Schauspielschule. Und da ist die Komparserie, die man braucht, um diese Riesenbühne zu füllen. Von der Spitze bis zur Basis sinkt dann auch das darstellerische Niveau. Was eine Logik hat, die man aber durchbrechen könnte – in jeder dieser Ebenen. Auch im Bereich der professionellen Kollegen.
Mal ein Beispiel zum besseren Verständnis: Das Stück spielt zu guten Teilen im Wirtshaus. Mit einer sofort ins Augen fallenden Wirtin, eine hochschwangere, Zigarre rauchende Frau. Eine herrliche Type ist da angelegt, aus der Sandra-Maria Huimann aber nichts macht, Schablone bleibt, außen grell und innen blass. So etwas ist schade.
Besser gefällt mir da schon Tom Hantschel, der seinem Bösewicht Ezechiel mit seiner gewaltigen Statur und Stimme wenigstens Präsenz bis in die letzte Reihe leiht. Man merkt, da geht’s wieder ein bisschen höher in der Pyramide. Am überzeugendsten bleiben mir der junge und agile Johannes Krobbach als Peter Munk und seine Lisbeth in Erinnerung. Julia Rani spielt sie voller Frische und Natürlichkeit, eben wie eine selbstbewusste Frau von heute.
Mit anderen Worten: Es wird sehr deutlich, wer auf der Bühne wirklich etwas will oder wer eben nur dabei ist. Wenn ich richtig zugehört habe, wirft der Holländer-Michel dem Köhlerjungen Peter einmal vor, dass er es mit seiner Genügsamkeit nicht weit bringen werde. Diese Genügsamkeit scheint mir auch das Hauptproblem dieser Inszenierung zu sein. Die ihr Publikum zwei Stunden lang unterhält, aber leider so manchen Moment bereithält, der besser hätte sein können oder müssen.
Weitere Informationen "Das kalte Herz" auf der Felsenbühne Rathen Regie: Peter Kube Ausstattung: Ralph Zeger Musik: Hans-Peter Preu Mit: Johannes Krobbach, Julia Rani, Julia Vincze, Anke Teickner, Tom Pauls u.a. Termine: 20. Juli, 17 Uhr 21. Juli, 17 Uhr 22. Juli, 19 Uhr 23. Juli, 19 Uhr 24. Juli, 17 Uhr 17. September, 18 Uhr (in der Freizeitoase Mortka)
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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Juli 2022 | 13:15 Uhr
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