Mehr Erdgas kann die deutsche Industrie kaum einsparen
Gasspeicher könnten bereits Ende des Jahres leer sein
LNG-Terminals, Atomkraft, Biogas – was nun zu tun ist
Vielleicht ziehen wir aus der Erdgas-Krise auch einen Vorteil
Wladimir Putin sabotiert die deutsche Gasversorgung. Unserer Industrie droht ein Engpass mit katastrophalen Folgen. Jetzt müssen alle anpacken, nicht nur die Industrie. Helfen Sie mit!
Nicht nur die privaten Verbraucher ächzen unter den explodierenden Energiepreisen. Immer mehr Unternehmen werden die hohen Energie-Kosten über kurz oder lang nicht mehr schultern können. Die stockende Erdgas-Zufuhr bedroht für den Winter nicht nur die Heizung im Wohnzimmer, sondern auch Produktion und Energieversorgung der gesellschaftlichen Hauptschlagader: unserer Wirtschaft.
Der Anteil der Industrie am gesamten deutschen Erdgasverbrauch beträgt 38 Prozent. Unsere Wirtschaft ist in hohem Maße von Erdgas abhängig. Doch derzeit liegen die Vertragspreise für Gas bei mehr als dem Siebenfachen des langjährigen Durchschnitts (150 statt 20 Euro/MWh), ebenfalls die Preise für Strom (370 statt 50 Euro). Wohl wegen der hohen Preise ist in den letzten Wochen der Gasverbrauch in der Industrie um 8 Prozent gesunken – mit einem entsprechenden Rückgang bei der industriellen Produktion.
Dr. Eric Schweitzer ist Inhaber und CEO der Berliner ALBA Group, einem der führenden Umweltdienstleister und Rohstoffversorger Europas mit rund 1,3 Milliarden Euro Jahresumsatz und 5400 Mitarbeitern. ALBA ist zudem Namenssponsor des amtierenden deutschen Meisters im Basketball. Schweitzer war von 2013 bis 2021 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und ist seit 2021 Ehrenpräsident des DIHK und der IHK Berlin.
Ein weiterer Anstieg der Energiepreise oder mögliche Versorgungsengpässe und Rationierungen würden bei den deutschen Unternehmen daher mit voller Wucht einschlagen. Über die Produktions- und Logistikketten wären nicht nur einzelne Betriebe oder Branchen betroffen, sondern die gesamte Wirtschaft und damit auch die gesamte Versorgung unseres Landes.
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Drosselt Putin weiter die Gaszufuhr über seine Pipelines (Nord Stream 1, Jamal, Transgas), steht die Wirtschaft vor einem schweren Winter. Die betrieblichen Effizienzmaßnahmen sind in den allermeisten Unternehmen nahezu ausgeschöpft. Insbesondere die energieintensive Industrie hat nur geringe zusätzliche Potenziale bei der Gaseinsparung. In einer DIHK-Kurzbefragung im Juni gaben Unternehmen an, gegen Kompensation auf weitere 3 Prozent des industriellen Gasbedarfs zu verzichten. Mehr geht wohl nicht, ohne dass es zu gravierenden Produktionsausfällen käme.
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Doch wenn Putin die Gaslieferungen nach Deutschland nun ganz aussetzen sollte, wird nach neuesten Schätzungen der Worst Case bald erreicht – und damit Stufe 3. Deutschlands Gasspeicher wären womöglich bereits Ende des Jahres leer. Die Bundesnetzagentur rechnet in diesem Szenario mit Ende Januar. Gemäß des Notfallplans würde zuerst der Wirtschaft der Gashahn zugedreht.
Auch wenn ich nicht hoffe, dass der Worst Case eintritt, sollten wir gut vorbereitet sein. Was kurz- und mittelfristig möglich ist:
Jetzt müssen alle anpacken – Industrie und Haushalte. Vielleicht ziehen wir aus dieser Krise auch eine Lehre und einen Vorteil für die Zukunft: den bewussteren und sparsamen Umgang mit unseren Ressourcen.
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