Wasser-Knappheit: Verbrauch im Garten führt zu sozialem Neid

2022-08-19 18:18:15 By : Ms. Nancy Hu

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Lassen wir uns das nehmen? Poolleben im Privatgarten Bild: dpa

Der Sommer ist heiß, das Wasser wird knapp. Die Debatte um einen geringeren Wasserverbrauch im Garten hat viel mit sozialem Neid zu tun.

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D as Wasser wird selbst in Mitteleuropa knapp. Die Sonne verbrennt das Land. Abkühlung suchen immer mehr schwitzende Zeitgenossen in Privatpools, deren Zahl sich seit den letzten heißen Sommern und während der Covid-19-Pandemie sprunghaft erhöht hat. Während in vielen europäischen Ländern diese Entwicklung eher gelassen kommentiert und zu Recht darauf hingewiesen wird, dass der Wasserverbrauch in der Hochleistungslandwirtschaft um ein Vielfaches höher ist, werden in Deutschland hitzige Debatten geführt, die von sozialem Neid und ökologischem Fundamentalismus geprägt sind.

Natürlich schlucken die eckigen und runden Becken aus Stahlrohr und Kunststoff rasch einige Tausend Liter an klarem Trinkwasser, das sich nach der Saison häufig in eine die Umwelt belastende Brühe verwandelt hat, da nur der Einsatz von Chemikalien das strahlende Blau erhält. Wer dann im Herbst einfach den Stöpsel zieht und die Flüssigkeit im Garten versickern lässt, handelt nicht nur fahrlässig, sondern macht sich auch strafbar.

Sozialgeschichtlich könnte man indes argumentieren, dass der private Pool, der inzwischen selbst in Schrebergärten aufgestellt wird, Angehörigen der Mittelschicht, die ein Stück Land besitzen oder gepachtet haben, über einen Gegenstand frei verfügen lässt, der seit dem Altertum zur sozialen Distinktion der aristokratischen und monarchischen Eliten diente. Der bescheidene und zugegebenermaßen häufig auch geschmacklose Gartenpool ist dann mit anderen gartenarchitektonischen Gestaltungselementen, die sich des Wassers bedienen: dem Teich, dem Bachlauf, dem Quellstein oder dem Springbrunnen, das Indiz einer demokratisierten und nivellierten Gartenkultur, die auch einer weniger vermögenden Klientel die Möglichkeit eröffnet, ihr Glück im eigenen Garten zu verwirklichen.

Vorbilder dieser Wasserfreuden finden sich in der Gartengeschichte zuhauf. Für die islamische Palastarchitektur, wie sie die Alhambra in Granada spiegelt, war der verschwenderische Umgang mit diesem Element konstitutiv. Das kühlende Nass, das wir im Hochsommer auch in nördlichen Breiten inzwischen zu schätzen gelernt haben, wurde dort durch ein aufwendiges Leitungssystem und eine ausgeklügelte Hydraulik herangeführt. Es sprudelte aus Brunnen, ergoss sich über Marmortreppen, strömte in Bäder und bewässerte Teiche. Es war allgegenwärtig.

Auch für die Gärten der europäischen Neuzeit ist Wasser von zentraler Bedeutung. Der italienische Garten der Renaissance und der französische Garten des Barocks waren stilbildend. Die glatte Oberfläche von sogenannten Spiegelweihern, die von keiner Fontäne gestört wurde, reflektierte das prächtige Schloss und damit den Anspruch auf Herrschaft. An anderen exponierten Stellen der Parkanlagen wurden Wasserspiele installiert. Springbrunnen und Kaskaden speiste man über Hebewerke mit ausreichend Wasser. Kanäle und Becken strukturierten die Gärten und betonten die zentralen Achsen.

Nicht nur in Italien war die Catena d’acqua beliebt: Treppenläufe über natürlich oder künstlich gestaltete Stufen, die sich über verschiedene Ebenen des Geländes erstreckten, wie die „Wasserkette“ im Garten des Palazzo Farnese in Caprarola auch heute noch eindrucksvoll zeigt. Einen Springbrunnen mit einem Jet d’eau, einem senkrechten Wasserstahl, der einer Figur entspringen konnte, hat schon Boccaccio in seinem Decamerone beschrieben. Unter der Erde wiederum waren vielerorts Düsen verborgen, die überraschte Spaziergänger nass spritzten – sehr zur Belustigung die Gartenbesitzer.

Nicht nur optische, sondern auch akustische Reize vermittelten die Wasserorgeln, die nach antiken Vorgaben seit der Renaissance konstruiert wurden. Claude Venard schuf einen solchen Automaten 1668 in der Villa d’Este in Tivoli: Wasser floss hier in einen Hohlraum und drückte die Luft in die Orgelpfeifen.

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Stefan Rebenich, Autor der Gartenkolumne im F.A.Z.-Feuilleton, ist Althistoriker an der Universität Bern.

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